Ein bewegender Abend mit Margot Friedländer

Am 11.10.2022 war die Autorin Margot Friedländer* als Zeitzeugin und Überlebende des Holocaust mit ihrem Film der Lesung aus dem Buch „Versuche, dein Leben zu machen“ zu Gast in der Aula.

Alle Gäste und auch der Seminarkurs „Jüdische Geisteswelt“, der mit unserem Schulleiter Leif Berling diese Veranstaltung organisieren durfte, saßen auf ihren Plätzen. Es war still, nur die Technik hat noch daran gearbeitet, den Film abzuspielen. Und als dieser Film lief, war es für die nächste Stunde erst einmal sehr ruhig. Alle haben zugehört, wie Margot Friedländer, die Zeitzeugin und Holocaustüberlebende, über ihre Vergangenheit redete. Es war sehr bewegend, wie sie in ihrer Lesung über ihr Leben als Jüdin im Nazideutschland erzählte. In dem vorgestellten Buch „Versuche, dein Leben zu machen“ geht um ihre Vergangenheit, um die nationalsozialistischen Gräueltaten und ihre Flucht.
Sie war eine der wenigen, die „Glück“ hatten und überlebten, aber wie kann man das sagen, wo sie alles verloren hatte?

Aus dem Inhalt:
Eines Tages bemerkte Margot Friedländer auf dem Heimweg, dass ihr ein Mann folgte. Er verfolgte sie bis zu ihrer Wohnung. Sie wusste, dass sie nicht in ihr Haus gehen konnte, also klopfte sie bei ihrer Nachbarin. Diese berichtete, dass die Nationalsozialisten ihre Familie mitgenommen hatten. Wohin wusste sie nicht, nur eine Nachricht von ihrer Mutter hatte sie über ihre Nachbarin in einem Brief erhalten, diese lautete: „Versuch dein Leben zu machen“. Diese Botschaft ist auch der Titel ihres später veröffentlichten Buches. Margot Friedländer hatte nur noch ein paar Gegenstände ihrer Mutter, eine Leder-Handtasche, eine Bernsteinkette und den Brief. Mit diesen drei Dingen suchte sie sich für ein paar Monate Verstecke bei befreundeten oder entfernt verwandten Juden, die noch nicht von den Nationalsozialisten gefunden worden waren. Am Ende war sie bei einer sehr netten Dame, die sie aufnahm. Irgendwann wurde auch sie von einem „Greifer“ entdeckt, sie stellte sich und wurde in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht, in dem sie bis zur Befreiung im Jahr 1945 bleiben musste.

Nach dieser bewegenden filmischen Lesung konnten das Publikum und wir (der Seminarkurs „Jüdische Geisteswelt „) noch Fragen stellen. Als Margot Friedländer diese beantwortete, bemerkte man, dass es ihr sehr schwer fiel, auch weil sie schon ein sehr hohes Alter von fast 101 Jahren erreicht hat. Es war für uns sehr bewegend, von ihr als Zeitzeugin über ihr Leben etwas zu erfahren. Dieser Abend war emotional und auch sehr informativ. Es war sehr bereichernd, dass unsere Schule dieses Angebot erstellt hat, denn nicht jeden Tag trifft man eine Zeitzeugin. Und schon gar nicht so eine betagte, alte Dame. Außerdem ist es für unsere Generation etwas ganz Besonderes,  noch eine Überlebende des Holocausts persönlich kennenlernen zu dürfen.

Text: Amalie Zelmer, Foto: dpa/ Florian Gaertner

 

* Margot Friedländer, geboren als Margot Bendheim am 5.11. 1921 in Berlin, überlebte als einzige ihrer Familie den Holocaust im Untergrund in Berlin und im Konzentrationslager Theresienstadt. 1946 emigrierte sie mit ihrem Ehemann Adolf Friedländer nach New York.

Im Jahr 2003 nahm sie eine Einladung des Berliner Senats an und besuchte ihre frühere Heimatstadt. 2008 erschien ihre Autobiografie „Versuche, dein Leben zu machen“ (Rowohlt, Berlin 2008). Seit 2010 lebt die Autorin und Zeitzeugin in Berlin und ist bis heute auf Lesereisen in Schulklassen und Institutionen unterwegs. 2018 wurde sie Ehrenbürgerin Berlins.

Margot Friedländer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2011 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2022 den Walther-Rathenau-Preis und die Ehrendoktorwürde an der Freien Universität Berlin.