Beim Festival „Schultheater der Länder“ im September 2018 in Kiel trafen sich Theatergruppen aus allen Bundesländern. Der Kurs Darstellendes Spiel 12 unter der Leitung von Dirk Hergemöller war mit dem Stück „Auf sich gestellt“ dabei.
Mit ungefähr 300 anderen Jugendlichen stehen wir rund um den Kieler Rathausplatz. Aus den Lautsprechern erklingt „Heroes“ von David Bowie. Alle Schüler bewegen sich, wie im Vorhinein festgelegt, in Zeitlupe heroisch und eine selbstgestaltete Flagge ihres Bundeslandes schwenkend auf das Zentrum des Platzes zu. Dort angekommen hockt sich die Masse auf den Boden, um im nächsten Moment zu dem aus Lautsprechern donnernden Pop-hit „Believer“ auseinanderzustreben. Von Passanten interessiert beäugt bewegen wir uns wabernd im Takt zu der Musik, nicht vollständig darüber im Klaren, wohin diese Eröffnungsveranstaltung des Theaterfestivals der Länder diesjährig in Kiel führen wird. Viel Zeit darüber nachzudenken haben wir auch nicht, denn jetzt verändert sich der Sound erneut, und plötzlich wuseln alle über den Platz und fallen einander in die Arme. Wir machen teils irritiert, teils belustigt mit. Die ganze Aktion ist minutiös geplant worden, vielleicht hätte es also an uns gelegen, uns vorher intensiver mit dem Programm auseinanderzusetzen. Auf den Flashmob folgte eine Eröffnungsveranstaltung, bei der uns der Moderator mit seinem norddeutschen Humor mehrere Hilfsphrasen für kommende Kontakte ans Herz legte: Na, kommst du auch aus einem Bundesland? Hast du auch was mit Theater zu tun? Die Kieler begannen dann mit einem Heimspiel in der Kieler Oper den Aufführungsmarathon.
Dies war für uns das Einläuten ereignisreicher Tage in Kiel beim Theaterfestival „Schultheater der Länder“. Als Vertreter Brandenburgs reisten wir mit unserer Romandramatisierung „Auf sich gestellt“ und jeder Menge Bambusrohre und Stöcke im Gepäck an, das dadurch auf der Fahrt viele verwirrte Blicke auf sich zog. Dieses Jahr stand das Festival unter dem Thema „Politik und Theater“, eine Kombination, deren Zusammenspiel uns im Laufe der Woche immer wieder verdeutlicht wurde. Das geschah in erster Linie durch die Stücke, von denen einige zu Tränen rührten und andere durch musikalische Einlagen überzeugten. Die Themen reichten von Religion, Historischem, Gesellschaftsidealen bis hin zu Medienmissbrauch. Besonders inspiriert wurden viele von uns durch das Stück unserer Berliner Nachbarn zum Schönheitswahn „Schön.Macht.Sein“. Mit beeindruckenden Szenen überzeugte uns der Blick der Nordrhein-Westfalen auf das Heranwachsen von Kindern aus der Perspektive von Spielpuppen. In Erinnerung bleiben wird die post-dramatische Collage der bayrischen Gruppe, die sich mit den Euthanasie- Verbrechen unter der NS-Diktatur in ihrem Heimatort beschäftigte. Aber auch weniger tiefgründige Faktoren versüßten unseren Aufenthalt sehr. Hier eine herzliches Shoutout an das delikate und trotzdem absolut erschwingliche Mensa-Essen. Besonders beeindruckend die Auswahl der Gerichte für Veganer, Vegetarier und Mischköstler und der umsichtige Umgang mit Anfragen. Wie uns die Hamburger in ihrem Stück nahelegten, wurde „Luxus (allzuschnell) schnell zur Gewohnheit“.
Des weiteren trugen die Menschen bedeutsam zur angenehmen Atmosphäre bei: (Zum Teil) begeisterungsfähige, theatervernarrte Jugendliche, die aufrichtiges Interesse an unserem Stück zeigten und mit fundierter Kritik das Gespräch suchten. Es ist immer bereichernd, unter Leuten zu sein, mit denen man eine Leidenschaft teilt. Aber auch außerhalb des Festivalgeländes, in der gemütlichen Jugendherberge in Hafennähe oder beim Karaokeabend, herrschte allgemeine Offenheit, und wir kamen mit vielen ins Gespräch.
Leider mussten wir schon zwei Tage vor allen anderen Kiel verlassen, da die Studienfahrten direkt anschlossen. Also kehrte die Reisegruppe mit den Stöcken nach fünf Tagen voll mit Eindrücken, beschwingt von schönen Erfahrungen, aber auch etwas müde in heimische Gefilde zurück.