Vom 26.3. bis 6.4.2023 beschäftigte sich der Griechischkurs des elften Jahrgangs im Rahmen eines Erasmus-Projektes mit dem Gedanken, inwieweit die antike griechische Welt „nachhaltig“ gewesen ist. Dazu reiste die Gruppe im genannten Zeitraum nach Nordgriechenland und sammelte im Verlaufe einer einwöchigen Exkursion Informationen.
Die Reise führte u.a. nach Meteora, zum Olymp, auf die Chalkidiki, nach Thassos, Kavala und an den Kerkini-See. Anschließend waren wir vier Tage in Thessaloniki an der Partnerschule, dem Kallitechniko im Stadtteil Ampelokipi und diskutierten mit griechischen Lehrerinnen und Schülern über die Themen „Nachhaltigkeit“ und „Klimawandel“. Auffällig war in der Tat, wieviel sorgfältiger man früher mit Ressourcen umging und Material immer wieder verwendete, z.B. indem man Säulenkapitelle zu Brunneneinfassungen umarbeitete oder Steinblöcke immer wieder in neuen Gebäuden verwendete.
Das Pfandsystem verwendete man bereits mit gestempelten Amphoren. Nicht mehr verwendbare Amphoren wurden für den Bau von Wasserleitungen verwendet. Antike Ruinenorte, z.B. Stageira (Geburtsort des Aristoteles), sind bis heute übersät mit Scherben von Dachziegeln und Gefäßen – ein deutliches und vor allem dauerhaftes Zeichen für menschliche Anwesenheit, da gebrannter Ton sehr langsam zersetzt wird. Im Unterschied zum heute allgegenwärtigen Plastik geht hiervon aber keine Gefährdung für Mensch und Tier aus.
Allerdings wurde durch das rücksichtslose Abholzen der Wälder für den Schiffbau stark in die Natur eingegriffen und der Klimawandel in gewisser Weise vorbereitet. Für die Gewinnung von kostbarem Marmor wurden ganze Vorgebirge abgebaut, z.B. auf Thassos (Aliki). Bewußtes nachhaltiges Handeln wird man also eher weniger annehmen können. Billig war die Ressource „Arbeitskraft“, nicht zuletzt wegen der Sklaverei, und wurde also entsprechend exzessiv ausgebeutet.
Die Reise folgte weiterhin auch den Spuren des Apostels Paulus (Thassos, Neapolis, Philippi, Thessaloniki, Beroia) und hatte so zusätzlich einen religionsgeschichtlichen Aspekt. Dieser wurde auch deutlich bei der eintägigen Erkundung des jüdischen Lebens von Thessaloniki, dem ehemaligen „Jerusalem des Balkans“. Die jüdische Bevölkerung der Stadt, die ehedem die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung darstellte, wurde zu 98 % unter der deutschen Okkupation mit aktiver Unterstützung der örtlichen Behörden nach Auschwitz deportiert und ermordet. Weniger als 2000 Juden konnten nach dem Krieg in ihre Heimatstadt zurückkehren und sahen sich ungeachtet der entsetzlichen menschlichen Verluste auch noch um einen Großteil ihres Besitzes gebracht.
Wie nachhaltig wird mit der Ressource „Mensch“ umgegangen? Wie ändert eine Stadt ihr Gesicht, wenn bestimmte Menschengruppen in ihr nicht mehr existieren? Wie geht man mit den Spuren um?
Letztlich hat die Unternehmung insgesamt mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet – darunter viele neue Fragen. Aber auch fragen können, ist ein Gewinn.
Text: Leif Berling