Am 13. März 2023 traf sich der Seminarkurs „Jüdische Geisteswelt“ über einen Videoanruf mit der jüdischen Boston er Archivarin Eve Neiger. Mit Herrn Berling als Kursleiter beschäftigen wir uns mit der jüdischen Religion und Geschichte und waren so beispielsweise schon auf einer Exkursion nach Frankfurt am Main oder konnten Gespräche mit der Holocaustüberlebenden Margot Friedländer und einem Potsdamer Rabbi organisieren. Nun freuten wir uns auf den Austausch mit Eve Neiger.
Gegen 18:00 Uhr kamen wir zusammen, in Boston war es zu dem Zeitpunkt 13:00 Uhr. Der Großteil des Gespräches fand auf Englisch statt, obwohl Eve Neiger einige Deutschkenntnisse hat. Sofort war durch ihre freundliche Art eine angenehme Atmosphäre geschaffen, und nach einer gegenseitigen Vorstellung begann Neiger, von ihrer Familie und Kindheit zu erzählen.
Die heute 35-Jährige wuchs in der Chicagoer Vorstadt in einer liberalen jüdischen Gemeinde auf. Für sie bedeutete dies eine weniger strenge Auslegung der Gesetze von Thora und Talmud sowie Synagogenbesuche nur am Schabbat. Dennoch besuchte sie eine jüdische Grundschule, in der unter anderem in jüdischer Geschichte, Gebeten oder Hebräisch unterrichtet wurde. Bereits damals wurde in Eve Neiger ein Interesse für ihre religiös-kulturellen Wurzeln geweckt. Heute arbeitet sie als leitende Archivarin der Boston Library.
Zu Eve Neigers Wunsch, mehr über ihr jüdisches Erbe zu erfahren, trug jedoch vor allem die Geschichte ihres Großvaters bei. In einer digitalen Präsentation zeigte sie uns nun das bewegende Leben Isaak „Itschu“ Neigers. Dieser wurde 1919 geboren und wuchs in Berlin-Mitte in einer Bäckerei als Sohn orthodoxer Eltern auf. Doch trotz der deutschen Wurzeln wurde die Familie nie so wahrgenommen: Sie blieb fremd.
Text: Grete Meister