Am 13. Februar 2024 besuchte die Potsdamerin Christine Zappe den Seminarkurs „Jüdische Geisteswelt“ des 12. Jahrgrangs. Im Kurs beschäftigen wir uns mit der jüdischen Religion, ihrer Ausübung und Tradition, aber auch der jüdischen Historie. So erzählte Zappe als stellvertretende Zeitzeugin für ihre Halbschwester Gerda und deren Mutter Ruth Zappe die bewegende Familiengeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus.
Im Jahr 1901 wurde Ruth in eine liberal-jüdische Familie geboren, Ende 1920 heiratete sie Christines christlichen Vater und lebte glücklich mit ihm im Holländischen Viertel. Als jedoch die Nazis begannen, die politische und gesellschaftliche Macht in Deutschland zu übernehmen, verlor sie, nun als „Halbjüdin“ bezeichnet, ihre Arbeit als Pianistin und wurde aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen — einzig die Konfession ihres Ehemannes schützte sie und ihre Tochter Gerda vor Schlimmerem. Zum Schutz von ihrem Mann und Kind ließ sich Ruth daraufhin scheiden. Als Folge der Verfolgung und Vereinsamung entwickelte sich eine schwere psychische Erkrankung, sodass sie als schizophren diagnostiziert und in eine Brandenburger Klinik eingewiesen wurde. 1940 erhielten Gerda und der Vater die Nachricht ihres Todes, angeblich aufgrund von körperlicher Schwäche infolge der Krankheit. Nur auf Anfrage folgte ein schriftliches Dokument zu den Umständen von Ruths Tod mit der Aufforderung an Gerda, zur Urnenbeerdigung anzureisen. Die extreme Belastung während dieser Zeit und auch die Wahrnehmung der historischen Ereignisse verarbeitete Gerda in Tagebüchern und Briefen, auf die sich Christine Zappe in ihrer Erzählung sowie auf vom Vater gesammelte Dokumente stützte. Gerda überlebte und floh 1958 aus der DDR nach Österreich. Erst kurz vor ihrem Tod im Jahr 2013 erfuhr sie vom wahren Schicksal ihrer Mutter, als der Familie alte Urkunden zukamen: Im Rahmen des Euthanasieprogramms „T4“ wurde Ruth aufgrund ihrer jüdischen Relation in einer an die Klinik gebundenen Vernichtungsanlage vergast.
Heute hat Christine Zappe es sich zur Aufgabe gemacht, ihre Stimme für die Erzählung der Grausamkeiten an ihrer Familie durch die Nazis zu nutzen. Es ist ihr Anliegen, ein Vergessen zu verhindern und insbesondere dem neu aufkeimenden Antisemitismus und rechten Hass entgegenzuwirken.
Grete Meister