Fulminante Verabschiedung der Zwölfer durch die Elfer
Schrecklich, dieses kitschige US-Musical! Das trieft regelrecht vor Liebesschmalz and Young American Way of Life. Da wird ein bisschen mit den Füßen und Hüften gewippt, ziemlich viel geeifersüchtelt und Schneewittchen gespielt („Wer ist die Schönste an der ganzen Highschool?“). Die High-School-Theatergruppe hat permanente Probleme bei der Besetzung der Hauptrollen von „Romeo und Julia“, und die Basketballmannschaft trainiert für den Aufstieg. Auch eine Wissenschafts-AG gerät ins Scheinwerferlicht sowie mehr oder weniger schrullige Lehrer und mehr oder weniger ausgeflippte Schüler. Alles in allem erinnert das Ganze an einen Disney-Mix aus „Romeo und Julia“ und „West Side Story“, aber mit tränenrührendem Happyend.
Vor Jahren brachte ein anderes Potsdamer Gymnasium „Saturday Night Fever“ auf die Bühne des Nikolaisaales, und ich war baff ob der Professionalität der Darsteller, vor allem der perfekt zu nennenden Choreographie. „Hermannswerder“, so murmelte ich damals in mich hinein, „das schaffst du nie, du hast zwar tolle Chöre und hervorragende Instrumentalsolisten, aber Musical, das geht gar nicht!“ Spätestens mit den „Blues Brothers“ vom letzten Jahr bin ich ins positive Grübeln gekommen, und seit dem 23. Juni 2017 bin ich mir ganz sicher: Hermannswerder kann das! Und wie!
Die Jahrgangsstufe 11 gab wirklich alles, mit Können, Leidenschaft, begeisternder Gruppendynamik und Musikalität. Nahezu perfekt gerieten alle Tanzeinlagen. Absoluter Hingucker – die Basketball-Choreographie! Aber auch die Gesangseinlagen, nicht alle, aber die meisten, konnten sich hören lassen. Einziger Mangel – die Tontechnik, die oft gar nicht oder zu spät zum Einsatz kam. Und auch das Licht ließe sich noch besser gestalten. Zu oft standen die Darsteller im Schatten, wo sie doch unbedingt ins Scheinwerferlicht gehörten, denn sie spielten teils brillant, teils urkomisch und wussten herrliche Gags zu setzen, jeder zu seiner Zeit und in seiner Szene.
Davon gab es herrlich viele, ob beim Training, bei den Stürzen mit oder ohne Torte, den Gruppentänzen around the table, den Lehrerzimmer-Gesprächen und nahezu allen Sharpay-Evans-Szenen, denn der Protagonistin glaubte man die Starallüren vom ersten Wort bis zum letzten Blick. Mimisch-gestisch wussten auch die übrigen Hauptdarsteller zu überzeugen. Unbedingt zu loben ist die Band, die hatte zwei Stunden alle Hände voll zu tun! Ein Blick in die anspruchsvolle Partitur nötigt großen Respekt vor dieser Leistung ab. Apropos „Partitur“: Die musste gar teuer gekauft werden, denn nordamerikanische Aufführungsrechte sind nicht zum Nulltarif zu bekommen. Aber das Risiko hat sich absolut gelohnt. Last but not least: „Disney‘s High School Musical“ kam fulminant, mutig, hochmusikalisch und sehr engagiert über die Bühne. Bravo, Jgst. 11!
Text und Fotos: Andreas Flämig