In der gut besetzten Aula fand Mitte Juni der letzte Hermannswerderaner Abend im laufenden Schuljahr statt, zu dem die Klasse 10b und Frau Commichau den Theologen und früheren Bischof der EKBO Prof. Dr. Wolfgang Huber eingeladen hatten.
Eingehend hatten sich die Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs mit dem Kirchenkampf in der NS-Zeit und dem Pfarrer der Bekennenden Kirche Dietrich Bonhoeffer beschäftigt, der im weiteren Verlauf des Abends hauptsächlich Gegenstand vieler Fragen sein sollte. Von dem Biografen und profunden Kenner Bonhoeffers Wolfgang Huber waren anregende und weiterführende Einsichten zu dem weltbekannten evangelischen Theologen zu erwarten.
Doch zu Beginn des Abends ging es zunächst einmal darum, Herrn Huber ein wenig kennenzulernen, da den Schülerinnen und Schülern sowie den Gästen selten ein Bischof Rede und Antwort stand. Zugewandt erzählte Wolfgang Huber vom Aufwachsen mit vier Brüdern im Schwarzwald, von seiner Pfadfinderzeit, während der er das erste Mal von Dietrich Bonhoeffer erfuhr, von seinen Englischkenntnissen, die er sich mühsam erarbeitet hätte („Da haben Sie mich jetzt aber erwischt“), weil er nach dem Krieg in der französischen Besatzungszone aufgewachsen war und daher Französisch lernten musste, und er erwähnte auch, womit er sich gern in seiner Freizeit beschäftige (… morgendliches Schwimmen im See).
Mit einem Kahoot zur Person Bonhoeffers gelang der Übergang zu den meist von Anniki Oesberg, Pia Gutowski und Clara Born gut vorbereiteten und vorgetragenen Fragen, die sich auf den Lebensentwurf Bonhoeffers bezogen. Als langjähriger Herausgeber der Werke Bonhoeffers zeigte sich Prof. Huber noch heute beeindruckt von dem gewaltigen Nachlass an Werken, die Bonhoeffer in seinem vergleichsweise kurzen Leben hinterlassen hätte und die bis in die Gegenwart hineinwirkten. Viele seiner Gedanken hätten beinahe prophetischen Charakter gehabt und inspirierten mit der hohen Wertschätzung der Freiheit noch immer. Deutlich wurde, dass Dietrich Bonhoeffer dem Glauben und Handeln der Christinnen und Christen heute wegweisende Orientierung gibt.
Auf die Frage nach Bonhoeffers Reaktion auf aktuelle Konflikte in der Welt überzeugte Wolfgang Huber mit freundlicher, aber bestimmter Zurückweisung, indem er keine spekulativen und damit anmaßenden Überlegungen anstellen wolle. Gern berichtete Huber dagegen über das Glück eines Biografen, dem der Fund eines jahrzehntelang verschollen geglaubten Briefes Bonhoeffers an Mahatma Gandhi widerfuhr. Mit dem ausführlichen Schriftstück aus dem Nachlass Gandhis könne dem bestehenden Bild Bonhoeffers ein neues Puzzlestück hinzugefügt werden, dem es mit der Rückkehr aus England nach Deutschland 1935 nicht mehr gelingen sollte, seinen Plan einer Reise nach Indien zu verwirklichen. Wie elektrisierend solch ein Fund auf den Autor Wolfgang Huber wirkte, davon legte sein leidenschaftlicher Bericht in der Aula Zeugnis ab.
Dem in vieler Hinsicht außergewöhnlich anregenden Abend setzten Applaus und Dankesworte am Ende einen schönen Schlusspunkt. (sc)