Die meisten Schüler:innen der Klasse 9a kannten das Lepsiushaus nur als das „kleine Gebäude“ neben ihrer Grundschule unterhalb des Pfingstberges. Seit der gestrigen Facharbeitspräsentation von Julius M. wissen sie auch, wer Lepsius war und dass sich hier eine Forschungs- und Begegnungsstätte befindet, die uns den Ersten Weltkrieg als „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ vor Augen führt.
Im Schatten des Krieges fand seit Frühjahr 1915 im Osmanischen Reich, dem Kriegsverbündeten des Deutschen Reiches, ein ungeheures Kriegsverbrechen an der armenischen Minderheit statt. Im Deutschen Reich herrschte damals Schweigepflicht darüber, weil man einen Verbündeten nicht brüskieren wollte. Eine verhängnisvolle Entscheidung für die Armenier: bei Massakern und Todesmärschen in die syrische Wüste kamen schätzungsweise 300.000 bis 1,4 Millionen Menschen zu Tode. Johannes Lepsius – evangelischer Theologe, Menschenrechtler und Orientalist – wollte aber nicht schweigen. Er hat im Sommer 1916 außerordentlich couragiert auf den Völkermord aufmerksam gemacht, Überlebende gerettet, eine politische Debatte ausgelöst und mit einem Gerichtsprozess gegen die Hauptverantwortlichen Rechtsgeschichte geschrieben. Er war also ein Widerstandskämpfer im Ersten Weltkrieg. Wir hoffen, dass das Erinnern an sein Wirken dazu beigetragen wird, dass Deutsche, Armenier und Türken bald sachlich und sensibel miteinander die „armenische Frage“ aufarbeiten können.
Text und Foto: Katrin Sachse